Schmetterlinge: Rollentausch bei kühlen Temperaturen |
Temperatur während der Larvalentwicklung bestimmt Aussehen und Verhalten der Geschlechter |
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Nicht die Gene, sondern die Temperatur bestimmt bei einer
afrikanischen Schmetterlingsart, wer die schöneren Flügelflecken trägt
und die aktive Rolle bei der Paarung übernimmt: Herrscht ein kühles
Klima bei der Larvenentwicklung, gibt es einen „Rollentausch“ und die
Weibchen zeigen in Aussehen und Verhalten männliche Eigenschaften. Über
diese ungewöhnliche Plastizität in der Entwicklung berichtet eine in
der aktuellen „Science“ erschienene Studie.
| | Bicyclus anynana bei der Paarung: Das Regenzeit-Weibchen hat die auffälligeren Augenflecke © William Piel / Antonia Monteiro | Die
afrikanische Schmetterlingsart Bicyclus anynana gleicht auf den ersten
Blick vielen ähnlichen Tagfaltern: Ein Geschlecht trägt große, im
UV-Licht besonders leuchtende Augenflecken auf ihren Flügeln, das
andere ist eher schlichter und weniger auffallend gefärbt. Doch der
erste Eindruck täuscht, wie jetzt Forscher der amerikanischen Yale
Universität herausgefunden haben. Denn während bei anderen Faltern der
Träger der Augenflecken meist genetisch bestimmt wird, ist dies bei
Bicyclus anynana anders.
„Normale“ Rollenverteilung bei warm-feuchtem Klima
Das zeigte sich, als Wissenschaftler um Kathleen L. Prudic und Antonia
Monteiro, Professorin für Ökologie der Yale Universität Experimente
durchführten, bei denen Bicyclus-Larven in unterschiedlichen
Umgebungstemperaturen aufgezogen wurden. Die Tiere, die als Larven in
27 Grad Celsius warmen Räumen und unter feuchten Bedingungen gelebt
hatten, boten zunächst wenig Überraschendes: Die schlüpfenden Weibchen
waren eher unscheinbar, die Männchen trugen die auffälligeren
Flügelflecke. Die klimatischen Bedingungen entsprachen denen der
warmen, feuchten Regenzeit in Afrika. In dieser Saison balzen die
Männchen aktiv um die Weibchen, diese legen ihre Eier meist unmittelbar
nach der Paarung ab.
| | Schema der temperatubedingten Rollen-Entwicklung © Antonia Monteiro | Kälte im Larvenalter provoziert Rollentausch
Umso erstaunlicher war das Ergebnis der Versuche, bei denen die Larven
bei nur 17°C und in eher trockener Umgebung gehalten wurden –
Bedingungen, die denen der kühleren Trockenzeit in Afrika entsprechen.
Nun trugen plötzlich die Weibchen nach dem Schlupf die Augenflecken,
die der Männchen waren dagegen deutlich unscheinbarer. Offensichtlich
hatten die Temperaturen während der Larvalentwicklung diese Umstellung
verursacht. Und auch das Verhalten der Tiere war verändert: Statt der
Männchen waren es nun die Weibchen, die ihre Augenflecken präsentierten
und aktiv um Partner warben.
Nach Ansicht der Forscherinnen könnte diese Umkehrung der „normalen“
Rollen eine Anpassung an ungünstige Umweltverhältnisse darstellen: In
der kühlen Trockenzeit finden die Schmetterlinge nur wenig Nahrung. Für
die Weibchen ist es jedoch essenziell, diese Mangelperiode zu
überleben, um dann mit Beginn der günstigeren Regenzeit ihre Eier legen
zu können. Ihre aktive Werbung um Paarungspartner hat daher einen sehr
handfesten Grund:
Spermienpaket als Überlebenshilfe
Bei der Paarung übertragen die Schmetterlingsmännchen ein
Spermienpaket, das zusätzlich mit Nährstoffen angereichert ist. Diese
Nährstoffe verhelfen dem Weibchen dazu, auch bei Nahrungsmangel länger
zu überleben. Je häufiger sie sich paart, desto höher sind ihre
Überlebenschancen – die aktive Werbung und die auffälligen Augenflecken
erleichtern dies. Die Männchen dagegen verlieren mit jeder Paarung
wertvolle Ressourcen. In Mangelzeiten sind sie daher nicht sonderlich
zur Paarung motiviert und spielen die eher passivere Rolle.
Offensichtlich haben die häufig wechselnden Klimabedingungen im
Verbreitungsgebiet der Schmetterlinge im Laufe der Zeit diese
ungewöhnliche Plastizität der Entwicklung hervorgebracht. Sie sind
damit auch das erste Beispiel für einen temperaturbedingten
„Rollentausch“ bei Schmetterlingen. |
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(Yale University, 07.01.2011 - NPO) |
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